Einmal
um die Welt
Keine Woche nach unserem Termin
mit Chef Aaron McCarthy sichten wir heute das erste Mitglied seiner neu
entstandenen Supertruppe.
Markus Hallgrimson heißt der Glückliche, der direkt nach seinem
Coach an dieser Stelle zu Wort kommen darf. Ob er das zu schätzen
weiß, wird sich herausstellen. Wir sind erst mal gespannt, ob er
sich ähnlich gut macht wie sein Coach.
An einem Sonntag stehen wir also - zum wievielten Mal in dieser Mission?
- vor dem Haus der Geschäftsstelle am Nike-Zentrum. (Wir, das sind
diesmal Gesine, die Homestory-Macherin unseres Blattes, und der Redakteur-Fotograf.)
Unsere Nummer Acht genießt nämlich das Privileg des kürzesten
Wegs zum Training und das, mit seinem Trainer unter einem Dach zu wohnen.
Markus scheint beides an diesem Morgen herzlich egal zu sein. Obwohl es
gegen Mittag ist, (in Wahrheit ist es 13 Uhr, aber er ist immerhin da
und macht sofort auf) wirkt Markus auf den ersten Blick noch leicht müde
und abwesend. Sollte er den Termin etwa vergessen haben?
Jedenfalls hat er keine richtige Ahnung, was wir eigentlich von ihm wollen
(bei der telefonischen Vorankündigung hatten wir ihn ganz offensichtlich
auch aus dem Tiefschlaf gerissen) und erbittet eine kurze Einweisung in
die Thematik. Kein Problem, die kann er haben. Allerdings wird dabei schnell
klar, dass Markus Interviews im Allgemeinen nicht besonders gewogen ist.
Auch Fotos lehnt er anfänglich mit dem Hinweis auf das Durcheinander
in seiner Wohnung (meine Güte - da haben wir schon anderes gesehen!)
und seine arg legere Freizeitkleidung ab.
Glücklicherweise schlägt das dann aber nicht zu extrem durch,
und das Gespräch wird nach einigen Dehnungsübungen doch ganz
flüssig. Schließlich machen wir ja auch kein Interview, sondern
eine Homestory. Und der Unterschied zwischen diesen beiden Dingen liegt
wohl auf der Hand: Ein Interview macht Arbeit, eine Homestory Spaß.
Markus sieht das zunächst noch nicht so und versucht, uns das Unangenehme
an seiner Situation zu demonstrieren, indem er den Spieß einfach
umdreht und selber Fragen stellt. Als er aber merkt, dass Gesine schnell
und vermutlich sogar wahrheitsgemäß antwortet, erzählt
er letzten Endes relativ munter drauflos und wir kommen mit dem Zuhören,
Aufschreiben und Zwischenfragen kaum hinterher. Markus scheint in dieser
Hinsicht also schon mal einer von der schnellen Truppe zu sein. Sehen
wir weiter.
Hallgrimson hört sich
für uns zunächst irgendwie ein bisschen Schwedisch an. Markus'
Name kommt aber keineswegs aus dem Land der Fußballvizeweltmeisterinnen,
sondern aus Island. Seine Vorfahren wanderten 1882 von dort nach Amerika
aus. Aber keine Sorge - ganz so weit hinten wollen wir mit der Geschichte
unserer neuen Nummer Acht dann doch nicht anfangen... Beginnen wir lieber
im Jahr 1975. Da wurde Markus nämlich geboren, und zwar in Lörrach.
Sein Vater war dort Austauschlehrer und pendelte mitsamt seiner Familie
immer mehr oder weniger zwischen Deutschland und den USA hin und her.
Insgesamt lebte Markus so schon rund 19 Jahre in Deutschland und spricht
dementsprechend perfekt Deutsch. So perfekt, dass er sogar einen Vordiplom
seiner University in Deutsch hat. Wer hätte das gedacht?
So gut, wie er deutsch spricht, spielt Markus auch Basketball, was aber
wohl kein Wunder ist, wenn man mit Fünf den ersten Ballkontakt hat.
Mein Vater war Trainer beim TV Langen, mein Bruder spielte und so habe
ich eben auch mit Basketball angefangen, sobald ich konnte - das war für
mich völlig selbstverständlich. Außerdem habe ich noch
Tennis und Fußball gespielt, bevor ich mich mit 13 auf Basketball
festlegte. Markus' lange Karriere begann also bei den Minis des TV
Langen, und von da aus ging es stetig bergauf.
Der Weg von dort bis zum TSK Würzburg bewegt sich im Prinzip in schöner
Regelmäßigkeit zwischen Amerika und Deutschland. Trotzdem bezeichnet
der 28-jährige, der übrigens auch aus der Nähe und bei
genauer Betrachtung lange nicht so alt aussieht wie er ist, Langen als
seine Heimatstadt. Die ersten acht Schuljahre besuchte er dort eine deutsche
Schule und wechselte dann auf eine amerikanische Schule in Frankfurt.
Dem folgten ein Aufenthalt auf dem College in Tennessee, ein Jahr in der
zweiten Liga Süd beim USC Heidelberg und die Montana State University,
wo er von 1997 bis 2000 Geschichte und Deutsch studierte.
Markus war also ordentlich unterwegs, verzeichnete ganz nebenbei beachtliche
Erfolge im Basketball, brach einige Rekorde in der NCAA- College-Liga
und war dort einer der Top-Ten Spieler.
Mit Avitos Gießen betrat er dann 2001 erstmals Würzburger Parkett.
Viele von uns werden sich sicher noch an die Playoffserie erinnern, in
der Würzburg nach vier Spielen schließlich leider den kürzeren
zog. Das lag sicher auch an Markus' Qualitäten - gut, dass wir ihn
jetzt auf unserer Seite haben...
Von Gießen zog es unseren
Globetrotter dann nach Hamburg, wo er in der 2. Liga Nord beim BCJ spielte,
der allerdings schnell in arge finanzielle Turbulenzen geriet. Vorher
wurde Markus mit ihnen allerdings noch Meister und stieg auf. Zu diesem
Zeitpunkt spielten außerdem schon nicht nur mehr eine, sondern gleich
zwei Frauen die Hauptrolle in Markus Hallgrimsons Leben. Bevor jetzt irgend
jemand auf falsche Gedanken kommt - es handelt sich um seine Töchter.
Jaden und Jaylyn kamen am 6. Dezember 2000 auf die Welt - das war der
größte und schönste Moment meines Lebens.
Alles an Markus Wohnung lässt erkennen, für wen sein Herz von
diesem Moment an von morgens bis abends schlägt: In jeder Ecke, auf
jedem Tisch, Regal, Schrank und an jeder Wand finden sich Fotos von den
blonden Zwillingen. Die beiden leben mit ihrer Mutter in Amerika und
fehlen mir natürlich sehr. Ich hätte sie am liebsten hier und
versuche alles, sie so oft wie möglich zu sehen. Von seiner Frau,
die er an der Uni in Montana kennen gelernt hatte, ist Markus inzwischen
nämlich geschieden. Sie hat sich in Deutschland überhaupt
nicht wohl gefühlt. Nachdem wir von Giessen nach Hamburg gezogen
waren, fühlte sie sich aber zunehmend unwohl und vermisste ihre Familie.
Also blieb sie Ende 2001 in Montana.
Man kann sich vorstellen, wie schwierig es von da an für Markus wurde,
seine Mädchen zu sehen. Trotzdem versuche ich, so oft es geht
zu ihnen zu fahren. Den Sommer 2002 habe ich mit den beiden bei meinen
Eltern in Oregon verbracht und es war unglaublich schön, mit ihnen
zusammenzusein. Dementsprechend egal war mir zu diesem Zeitpunkt auch
mein Job. Mein Agent meinte dauernd, ich müsse nach Deutschland zurück,
aber ich wollte viel lieber bei meinen Kindern sein. So kam Markus
erst Ende August und ohne Verein nach Deutschland zurück, landete
mit etwas Glück in der zweiten Liga Nord bei Aufsteiger Mönchengladbach,
wo er 25 Punkte im Schnitt machte und für einige Siege sorgte. Auch
in Chemnitz, was seine letzte Station vor Würzburg war, konnte er
die Statistik erheblich verbessern.
Den vergangenen Sommer verbrachte unser junger Vater natürlich wieder
mit Jaden und Jaylyn in Oregon. Das letzte Mal habe ich sie also im
Juli gesehen, aber es kommt mir jetzt schon wieder vor, als sei das ewig
her... Einen Monat verbrachte ich danach noch in Langen, habe mich fit
gehalten und musste mich dann für einen Verein entscheiden. Denn:
Ich spiele Basketball für meine beiden Mädchen. Und wie
kam er ausgerechnet auf Würzburg? Ich habe mit Thomas Glasauer
telefoniert, mit dem ich früher schon in Langen gespielt hatte. Und
der meinte, er hätte da was für mich. Daraufhin hatte ich Ende
Juli ein Probetraining und nun bin ich ein X-Ray. Darüber bin ich
auch wirklich froh, da ich mich hier sehr wohl fühle. Würzburg
ist eine wunderschöne Stadt - ich hoffe nur, dass ich bald mal etwas
Zeit habe, um mir alles anzusehen. Es macht mir nämlich total Spaß,
Sachen zu besichtigen.
Spaß macht es Markus auch, zu kochen. Ich glaube, ich kann's
auch ganz gut. Mein Lieblingsgericht sind gebratene Nudeln mit Ei, Ketchup
und ein bisschen Käse. Wer also zufällig mal mit knurrendem
Magen in der Geschäftsstelle steht, ist gut beraten, nebenan bei
ihm vorbeizuschauen.
Nachdem wir mit Mr. Hallgrimson
von seinem Wohnzimmer aus nun einmal um die halbe Welt und munter durch
ganz Deutschland gereist sind, bleiben wir jetzt erst mal in Würzburg
und kommen zurück zum Thema Basketball: Aaron McCarthy hat hier
echt eine gute Chemie zusammengebastelt: Das Team ist super, die Jungs
sind cool und wenn alles gut läuft, können wir mit Sicherheit
Einiges schaffen. Mir selbst ist es besonders wichtig, dass ich mich gut
einbringen kann und dass wir nicht permanent um alles zittern müssen.
Der Klassenerhalt sollte auf jeden Fall drin sein. Um das zu erreichen,
haben er und die anderen X-Rays Einiges auf sich genommen. Seinen normalen
Tagesablauf in der Vorbereitungszeit beschreibt er so: Aufstehen, trainieren,
schlafen, trainieren, schlafen, aufstehen... Kein Wunder, dass er
von Würzburg noch nichts gesehen hat. Und was sollte generell noch
so in Markus' Leben drin sein? Was sind seine Ziele, was kommt nach und
neben dem Basketball? Da mache ich mir momentan eigentlich wenig Gedanken
drum. Am wichtigsten sind Jaden und Jaylyn. Beruflich war für mich
immer klar, dass ich Basketballprofi werden wollte, und wenn ich das mal
nicht mehr bin, habe ich verschiedene Möglichkeiten. An sich möchte
ich noch mal zwei oder drei Jahre an die Uni und einen Master machen.
Ansonsten könnte ich entweder Coach oder Lehrer werden wie mein Vater,
oder ich helfe ihm in seiner Firma. Er organisiert Schüleraustausche
für Neunt- und Zehntklässler von Deutschland in englischsprachige
Länder und hat damit so viel Erfolg, dass er inzwischen eine eigene
Firma gegründet hat. Falls übrigens jemand an einem Austausch
nach Amerika, Australien oder Kanada interessiert sein sollte, kann er
sich somit gern direkt an Markus wenden. Ein absolut ernst gemeintes Angebot,
das man sich nicht entgehen lassen sollte. Vor allem, da Markus wirklich
nett ist und sicher gerne weiter hilft.
Doch vorerst noch mal zurück zu seinen persönlichen Plänen.
Meine Zukunft liegt auf jeden Fall da, wo meine Kinder sind. Allerdings
würde ich generell lieber in Europa leben als in Amerika. Hier gefällt
es mir einfach besser und in Amerika halte ich es inzwischen kaum mehr
länger aus als ein paar Monate.
Man kann zu guter Letzt nur hoffen, dass auch der ewig reisende Markus
Hallgrimson irgendwann seinen Platz findet und dann auch mal länger
an einem Ort bleiben kann als einen Monat, eine Saison oder ein Jahr.
Vielleicht klappt's in Würzburg - man weiß ja nie, was alles
kommt. Wir fanden es jedenfalls spannend, mit diesem ohne Frage sehr besonderen
Basketballer einmal quer durch seine 28 Lebensjahre surfen zu dürfen,
sagen danke dafür und wünschen ihm weiterhin alles Glück.
Natürlich mit Jaden, Jaylyn und Basketball.
[gh]
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